Freitag, 4. September 2009

Eltern und andere merkwürdige Gestalten

Ich bin mir sicher, über dieses Thema wurde schon in Millionen und Abermilliarden Blogeinträgen referiert, aber wie das so ist: Natürlich muss ich auch meinen Senf dazu abgeben.

Wie erziehe ich mein Kind richtig?

Ich kann’s bald wirklich nicht mehr hören. Dieses Gehacke unter Müttern. Ach, hast du gehört, die Claudi arbeitet schon wieder, dabei ist doch der Kleine noch so KLEIN! Ja, furchtbar! Aber die Tschakeline, die hat noch IMMER keinen anständigen Beruf, dabei ist doch der Luka-Levin schon VIER! Meine Güte, dieses Gesocks! Und überhaupt – die lässt den SAFT trinken. Saft, verstehst du? Na, der wird sich schon noch wundern, wenn der das nächste Mal zum Zahnarzt muss, haha! Na, ja, also meine Chiara-Marie, die bekommt ja nur Wasser und Fencheltee. (An dieser Stelle werden wahlweise die Chips oder die Dinkelstangen ausgepackt und dem wehrlosen Kind in den Mund gestopft, denn das arme Kind hat ja schon seit mindestens 30 Minuten nichts Anständiges mehr gegessen.)

Ich glaube nirgendwo, außer vielleicht beim Casting fürs Sommermädchen, sind Stutenbissigkeit, Zickereien und Vorverurteilungen stärker ausgeprägt als unter Müttern. Beziehungsweise Eltern, so insgesamt.

Und soll ich euch was verraten?
Das. Nervt.

Ist denen eigentlich schon mal die Idee gekommen, dass es vielleicht kein Richtig oder Falsch gibt? Zumindest fast kein Falsch. Dass alles im Zusammenhang mit Gewalt, fehlender Zuneigung oder Vernachlässigung falschfalschfalsch ist, darüber sind wir uns wohl alle einig.

Aber kommen die nicht mal auf die Idee, dass wir Eltern möglicherweise gar nicht so viel Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder haben, wie wir denken oder hoffen?
Anders kann ich mir nicht erklären, dass in Mehrkindfamilien jedes Kind über dermaßen unterschiedliche Verhaltensweisen und Wesensmerkmale verfügt. Obwohl doch die Erziehung zumindest grundsätzlich sicher sehr ähnlich abgelaufen ist.

Und gerade im Bereich der Erziehung gibt es ganz sicher kein Richtig für alle, höchsten ein Richtig für uns. Richtig für die jeweilige Familie.

Ein Kind wird nicht zur gestörten Persönlichkeit, weil es mal 10 Minuten schreien muss. Wenn sich eine Mutter dagegen entscheidet, dann weil sie sich damit besser fühlt, beim Kind zu sein. Das ist in Ordnung und gut so, kann aber für eine andere Familie, eine andere Mutter, vielleicht unpassend sein. Aus welchen Gründen auch immer.

Und dieses ganze „Das tu‘ ich für mein Kind!“ – ist das nicht im Endeffekt sowieso nur ein „Das tu‘ ich für _mich_, weil _ich_ davon überzeugt bin und das für richtig halte und mich selbst gut damit fühle.“?
Wer weiß denn schon wirklich, was für ein Kind gut und richtig ist? Wer weiß, welches Verhalten man an den Tag legen muss, damit aus dem Kind später der Mensch wird, den man sich so vorgestellt hat, als er einen noch nachts von innen mit Füßen traktierte?

Keiner. Weil: Das funktioniert einfach so nicht. Frühkindliche Entspannungsreise und Japanisches Origami für Kleinkinderpatschehände werden aus einem Wirbelwind nichts anderes machen als – einen Wirbelwind. Egal, wie sehr Eltern sich drehen und wenden, welche Kurse sie besuchen, ob die Mutter drei Jahre lang stillt ober ob sie noch vor dem 8. Monat Kuhmilch zufüttert – es wird nichts ändern am Kind und wir sollten das einsehen. Wenn das Kind eine schwache physische Konstitution hat, dann hat es die – ob mit oder ohne Stillen, mit oder ohne Kuhmilch. Wenn ein Kind einfach bewegungsfreudig und raufboldig ist, dann bleibt es das auch. Und sollte vielleicht einfach ein Stündchen länger draußen spielen, als zur Abendtherapiestunde für ADS-Kinder geschleppt zu werden. Wo es dann bitte schön still zu sitzen hat.

Unsere Kinder sind kleine, eigenständige, vollwertige Menschen, die nichts weiter brauchen, als ein warmes und liebevolles Zuhause, anständige Mahlzeiten und saubere Kleidung. Ein Bett, ein paar Kuscheltiere und Spielsachen, Freunde und die Natur.

Wir werden unsere Kinder nicht verändern. Und das ist gut so.

Punkt.
Erzangie - 4. Sep, 20:37

*unterschreib*

Gruß
Erzangie

Knete (Gast) - 4. Sep, 21:01

Ist mir mal wieder aus der Seele geschrieben, der Beitrag. Das Schnuffelkind hat jedenfalls Glück mit seiner Mama. :)

Leserin (Gast) - 4. Sep, 22:42

Die Kinder mit Liebe großziehen, für sie dasein, wenn sie uns brauchen, ihnen genug Freiräume geben, damit sie sich entwickeln können, unsere eigenen Erwartungen und Wünsche nicht auf sie übertragen, ihnen die Grundlage für Flügel geben, wenn die Zeit gekommen ist, das Elterhaus zu verlassen....sie loslassen für ein eigenständiges Leben.

Ich glaube, dass wir alles richtig gemacht haben, denn meine Kinder kommen auch heute noch gern mal auf einen Sprung vorbei.

Bea (Gast) - 5. Sep, 08:05

Yeah..genau meine Meinung. Mittlerweile kann ich nur noch schmunzeln über:
"Ehrlich, du kochst das Wasser NICHT mehr ab?"
"Wie, du machst keine frühförderungskurse?"
"Die isst schon BROT?"
...
Neulich gabs mal einen Artikel im Spiegel über die moderne Müttergeneration..war sehr interessant, es rührt wohl vieles von der Unsicherheit der Frau. Früher wurden Frauen auf nichts vorbereitet, als aufs Hausfrau- und Mutterdasein. Heute ist davon wenig übrig und viele sind sich unsicher, lesen dann im Internet, besuchen Kurse usw. und haben leider kaum eine eigene Meinung (auf die sie vertrauen können). Schade eigentlich!

(Muss aber zugeben, dass es mir kurz nach Noahs Geburt ähnlich ging, das gab sich aber zum Glück mit der Zeit!!!!)

Bücherdingens


Paul Auster, Joachim A. Frank
Stadt aus Glas. SZ-Bibliothek Band 6

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